
Wie finde ich heraus, was „Natural Horsemanship“ - die natürliche Pferde-Mensch Beziehung - ist?
To Find Out What Natural Horsemanship is...
Geschrieben und Fotos von Leslie Desmond, veröffentlich in „The Trail Less Traveled.“Übersetzung: Gabi DoldFrage dein Pferd und es wird es dir zeigen
Grundsätzlich ist die Beziehung zwischen Mensch und Pferd nicht kompliziert. Im Gegenteil, sie ist einfach und sehr natürlich.
Das Pferd ist ein Beutetier , was es uns durch seinen Instinkt und seine Hufe bestätigt. Es kann nämlich fliehen, oder versuchen, dich zu töten, wenn es seine Freiheit in Gefahr sieht. An den Reaktionen des Pferdes können wir erkennen, dass es folgendermaßen denkt: „Ich weiß, du willst mich fressen. Das wirst du aber nicht, wenn ich mich wehre.“ Dieses Denken beschreibt exakt den natürlichen Lebenserhaltungstrieb des Pferdes. Wenn es nicht so denken würde, wäre es verloren.
Wir Menschen sind die Raubtiere, haben einen Überlebensinstinkt und benützen Werkzeuge. Wir schießen mit Pistolen, werfen das Lasso, benützen die Gerte, reißen ruckartig am Zügel oder bohren die Sporen in den Körper des Pferdes. Und was am wichtigsten ist, wir töten Tiere, um deren Fleisch zu essen.
In einer Konfrontation mit dem Pferd, wird im Menschen sofort seine innere Stimme nach Selbstschutz wach: „Du bist groß und kräftig, aber ich kann dich dennoch besiegen und töten. Da ich halb verhungert bin, muss ich es tun, um nicht selbst sterben zu müssen.“
Meistens nehmen nur noch die Pferde diese inneren Stimmen wahr. Viele Menschen wollen ihre innere Stimme gar nicht mehr hören oder sind schon fast von ihr getrennt.
Im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutung, Hunger zu haben, sehr verändert. Der zivilisierte Mensch muss nicht mehr in erster Linie den Hunger nach Nahrung stillen. Er will jetzt seinen Hunger nach Kraft und Macht befriedigen. Egal wie, jedes Lebewesen versucht , nach seiner ihm eigenen Art, zu überleben.
Was geschieht in Wirklichkeit?
Seitdem sich der Mensch mit dem Pferd abgibt, sagt, tut und erwartet er gewöhnlich zuviel. Und dies zu seinem eigenen Vorteil. Sobald aber das Pferd nicht versteht, was der Mensch von ihm will, arbeitet der Mensch gegen das Pferd.
Das Pferd ist sehr wohl in der Lage, den Menschen zu verstehen, sogar besser, als die meisten von uns glauben.
Die seit Jahrhunderten zu beobachtenden Fehlschläge in Pferde-Mensch Beziehungen resultieren daraus, dass der Mensch immer wieder in nicht angemessener Art und Weise Forderungen an sein Pferd gestellt hatte.
Es ist kaum zu glauben, wie viele Menschen sich eigentlich vor ihrem Pferd fürchten. Sie schleichen Jahr für Jahr um ihr Pferd herum, bis irgendwann etwas passiert. Dann wird ihnen plötzlich klar, dass sie vor ihrem Pferd Angst haben. Das Pferd aber wusste schon lange, was los war.
Es gibt also Pferde-Mensch Beziehungen, die aneinander vorbei gelebt werden. Genauso kann man Beziehungen beobachten, in denen der Mensch versucht, sich sein Pferd zu unterwerfen. Beide Formen sind zum Scheitern verurteilt.
Viele Pferde-Mensch Beziehungen haben sich nicht weiter als bis zu einer gesellschaftlich akzeptierten Brutalität entwickelt. Man glaubt allerdings hier schon fortschrittlich zu sein. Das ist nicht verwunderlich, da man Jahrhunderte lang mit der Methode „Knüppel dein Pferd in den Gehorsam“ gearbeitet hatte. Sind die täglichen Aufgabenstellungen an das Pferd unklar, empfindet es diese Situation als lebensbedrohlich und hat Angst..
Wer kann dir helfen?
Jessica hat eine leichte Verbindung zum Maul ihres Ponys. Man kann sehen, wie wenig Anstrengung nötig wäre, um das Pony locker im Kopf abkippen zu lassen .Das Pony war schon zu beiden Seiten beweglich und willig, bevor Jessica es mit beiden Zügeln sanft aufforderte, gerade rückwärts zu gehen.Wer versteht Fühlen? Wer kann fühlen zeigen und lehren? Klar, die guten Top Trainer können es. Sie verstehen und vermitteln das Konzept.
Das ist nur ein kleiner Trost. Zumal du vielleicht nur ab und zu mit so einem Könner reiten oder ihm nur beim Reiten zusehen kannst. Es kann doch unmöglich befriedigend sein, das ganze Jahr über auf die Chance zu hoffen, endlich einmal an einem Kurs von Mr. Legende teilnehmen zu können.
Nehmen wir an, du hättest das Glück gehabt und könntest bei Mr. Legende einen Kurs belegen. Er würde dich auffordern, die Zügel aufzunehmen und das Maul deines Pferdes zu fühlen. Du würdest aber nicht genau verstehen, was du machen sollst. In dieser Situation wärst du sicher erleichtert, wenn dir ein anderer Kursteilnehmer zumurmeln würde: „Über was zum Teufel redet der? Fühlen? Sagte er Fühlen? Es ist zum Schreien. Was denn fühlen?!“
Ray machte einmal folgende Äußerung: „Was du eigentlich als erstes wissen solltest, wird das Letzte sein, was du lernen wirst.“ Möglicherweise hat er sich nicht einmal auf das Fühlen bezogen, als er das gesagt hatte, aber Fühlen war das erste was mir bei diesem Satz in den Sinn kam. Und jetzt wollte ich es herausfinden.
Von nun an bekam alles, was ich mit Pferden tat, eine neue und ungewöhnliche Dimension. Durch ganz alltägliche Dinge, wie die Pferde auf die Weide bringen, oder sie holen, Reitunterricht geben, Satteln oder Verladen eröffnete sich mir eine neue Sichtweise auf längst verstanden geglaubte Sachverhalte.
Plötzlich hatte ich völlig neue Pferde vor mir. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt von dem überzeugt, was ich tat. Und nun stellte ein Freund fest, dass ich mich total verändert hätte. Fühlen bietet die Möglichkeit, noch tiefer unterhalb die Oberfläche einer Pferde-Mensch Beziehung zu gelangen. Man kommt näher an die wahrhaftige Seele und Sprache der Pferde.
Trotzdem sollte man wissen, dass man in der Phase der Entwicklung von Fühlen, manchmal frustriert sein wird, auch schlechte Tage haben kann und Fehler machen wird. Das alles ist mir auch passiert. Die andere Seite ist nun aber die, dass die Pferde-Mensch Beziehung viel einfacher wird und Probleme mit wesentlich weniger Ärger gelöst werden können.
Copyright: Leslie Desmond

Wie stelle ich es an, dass mein Pferd zu mir kommt, auch wenn ich keinen Futtereimer dabei habe?
Catching your Horse Without Using Grain.
©1996 Leslie Desmond Veröffentlicht im Dezember 1996 in: Stable Kids MagazineÜbersetzung: Gabi DoldLäuft dein Pferd von dir weg, wenn es dich mit Halfter und Strick kommen sieht? Dieses Problem kommt öfters vor, lässt sich aber lösen. Allerdings ist es einfacher diesem Problem vorzubeugen, als es zu korrigieren, wenn es erst einmal zur Angewohnheit geworden ist.
Vielleicht hast du auch schon erlebt, dass manche Schulfreunde dich in der Schule nur mitspielen lassen, wenn du ihnen dein Taschengeld gibst. Eigentlich kann man so etwas nicht als Freundschaft bezeichnen. Dein Pferdeeinfangproblem ist eigentlich ähnlich. Pferde mit Futter einzufangen, ist Bestechung. Wäre es nicht schön, wenn dein Pferd zum Aufhalftern zu dir kommen würde, weil es dich mag und gerne bei dir sein will?
Erstens, muss Schluss sein mit der Bestechung. Euere Beziehung, die auf Bestechung basiert, muss sich zu einer Beziehung verändern, die auf Vertrauen und Freundschaft aufbaut. Vielleicht hilft es, wenn du den Futtereimer jeden Tag etwas näher zum Weidetor hinstellst bis es sogar ausreichend ist, wenn der Eimer bei dir außerhalb des Tores steht, um dein Pferd halftern zu können. Es kann schon sein, dass du dein Pferd noch eine Weile mit dem Futter belohnen musst, wenn du es von der Weide holst. Lass die Bestechung mit dem Futtereimer über ein paar Tage oder Wochen langsam auslaufen. Schließlich wird dein Pferd zum Tor kommen, weil du dort bist. Du musst immer den Namen deines Pferdes rufen, wenn du mit dem Eimer kommst, damit es seinen Namen mit dem, was du von ihm willst, in Verbindung bringt. Mach das Einfangen so angenehm wie möglich für dein Pferd.
Zweitens, wollen wir das Pferd auf keinen Fall in eine Ecke des Feldes oder Stalls treiben. Das ist gefährlich, weil sich das Pferd fürchten könnte und es dir übel nehmen würde. Es gibt nichts unbefriedigenderes zwischen Pferd und Reiter als das. Außerdem wollen wir es nicht umherjagen, bis es müde ist. Je mehr du es scheuchst, umso besser wird es im Davonlaufen werden. Es wird dich zudem immer besser austricksen können.
Drittens, musst du dich dem Zeitgefühl deines Pferdes anpassen können. Dein eigenes Zeitgefühl und das deines Pferdes ist sehr verschieden. Um dich mit deinem Pferd klar und deutlich verständigen zu können und um die bestmögliche Beziehung zu deinem Pferd aufbauen zu können, musst du so gut wie möglich auf der selben Wellenlänge mit ihm sein. Um in der Zeit des Pferdes zu leben, muss man endlos geduldig sein. Nur so kann man sich und sein Pferd erfolgreich umtrainieren.
Ich würde versuchen, soviel wie möglich Zeit mit dem Pferd zu verbringen, wenn du es nicht einfangen willst. Fängt dein Pferd an, die Freundschaft mit dir zu genießen, wird es auch bei dir sein wollen. Nimm deine Bürsten mit auf die Weide und bleib einfach eine Weile bei deinem Pferd stehen oder sitzen. Beobachte es nur. Es wird dein Pferd überraschen, dich hier draußen bei ihm in friedlicher stressfreier Atmosphäre, zu erleben. Dein Pferd wird sich interessieren, was du da eigentlich machst, da du dich bisher noch nie so verhalten hast. Unter Umständen treibt es seine eigene Neugierde zu dir.
Wenn das Pferd auf dich zukommt, lass es dich zuerst berühren. Versuche nicht gleich dein Pferd an der Nase oder am Hals zu berühren, und mache keine schnellen Schritte, es sei denn du musst befürchten, getreten zu werden. Sei bitte nicht gleich entmutigt, wenn dich dein Pferd die ersten paar Male ignoriert, wenn du das versuchst. Es kann schon sein, dass du eine Stunde oder länger warten musst. Denke immer daran, dass du dich auf die Zeit des Pferdes einstellen musst und nicht dein menschliches Programm durchziehen kannst.
Beginne damit, dein Pferd sanft zu berühren und bürste es dann. Dabei darfst du aber nur soviel Energie einsetzen, dass dein Pferd sich nicht veranlasst sieht, wieder fort zu laufen. Hast du das Gefühl, dass es gleich weg laufen wird, wende du dich zuvor von deinem Pferd ab. Du willst bei deinem Pferd den Eindruck hinterlassen, dass dein Besuch friedlich, angenehm und stressfrei ist.
Falls der Anblick von Halfter und Strick dein Pferd schon in die Ferne treibt, solltest du viele dieser Übungsstunden mit ihm verbringen, bevor du wieder Halfter und Strick mit auf die Weide nimmst. Nachdem dein Pferd sich wohl fühlt und freiwillig zu dir kommt, halfterst du es , führst es etwas herum und lässt es dann wieder gehen. Das wird seine Einstellung zum Eingefangen werden verändern.

Wie kam es, dass sich das Pferd so schwer einfangen ließ?
Denke einmal darüber nach, was du mit deinem Pferd immer gemacht hast, nachdem du es aufgehalftert hattest. Du behütest dein Pferd mehr als alles auf der Welt und wahrscheinlich bist du die meiste Zeit sanft und liebevoll. Aber vielleicht hast du doch hin und wieder deine Selbstbeherrschung verloren und dir ist der Geduldsfaden gerissen. Dabei hast du womöglich ruckartig am Führstrick gezogen, obwohl das Pferd auf seiner Nase eine Kette verschnallt hatte. Möglicherweise passen einige Dinge deiner Ausrüstung nicht richtig auf dein Pferd, wodurch Schmerzen ausgelöst werden können. Oder vielleicht hast du ein altes Pferd , das nicht mehr so schnell und viel laufen kann, wie du es gerne hättest. Nur du und dein Pferd kennen euere Beziehung in und auswendig. Ich erwähne all diese Dinge, da sie mögliche Ursachen dafür sein können, weshalb dir dein Pferd nach Möglichkeit aus dem Weg geht.
Einige Dinge, die man immer beachten sollte
Sei dir im Klaren, dass die meisten Dinge, welche dir widerfahren, für das Pferd bedeutungslos sind. Den Pferden sind Fernseher, das Telefon oder dein nächstes Turnier eigentlich völlig egal. Für das Pferd zählt nur der Augenblick, da es in genau diesem lebt. Um wirklich effektiv zu sein, musst du dich und dein Pferd aus der Sicht des Pferdes betrachten.
Wenn du jeden Tag raus auf die Weide oder in den Stall zu deinem Pferd gehst und es dort auf dich wartet, denke immer an Folgendes: Das Pferd hat keine Ahnung, was du heute auf dem Plan hast oder was du heute für einen Tag gehabt hattest. Es weiß auch nicht, dass du heute nur zwanzig Minuten Zeit hast, weil es schon spät ist, weil dir kalt ist oder du zu Hause noch viel Arbeit hast. Aber es kann den Druck spüren, der auf dir liegt. Es kann deine Eile spüren und fühlt, dass sie nicht in sein Weltbild passt. Das kann schon der Grund dafür sein, dass ein Pferd abwendet und von dir weg geht.
Bevor du aber nun mit deinem Pferd beginnst in besprochener Art und Weise zu arbeiten, solltest du deine Eltern und deinen Reitlehrer um Erlaubnis fragen. Falls auf der Weide deines Pferdes noch andere stehen, die mit dem Futtereimer eingefangen werden, solltest du unbedingt einen Erwachsenen bei dir haben, der diese Arbeit schon erfolgreich getan hat.
Wie wendet man dieses schwer zu beschreibende „Fühlen“ an?
How to Apply the Elusive “Feel”
Geschrieben und Fotos von Leslie Desmond, veröffentlich in „The Trail Less Traveled.“Übersetzung: Gabi DoldWelche Bedeutung dieses „Fühlen“ für das Pferd hat ist sehr schwer zu beschreiben. Ich will es trotzdem versuchen. Vielleicht helfen ein paar Überlegungen zu unseren menschlichen Erfahrungen. Wie würdest du jemandem, der den Duft einer frisch abgemähten Wiese nicht kennt, diesen Duft beschreiben? Oder den Geschmack eines Weizenbrotes, den Anblick der Dämmerung, das Geschrei des Habichts oder den Schmerz einer Kratzwunde auf deiner Wange?
Was würdest du sagen, wie sich Kopfschmerzen anfühlen? Wie fühlt sich Musik für das Ohr an? Wie fühlt sich ein Kinderfinger an, der gegen deine Wange drückt? Oder wie würdest du den Unterschied beschreiben, den du fühlst, wenn du die Hand eines Fremden drückst, oder aber die deines Freundes?
All diese Dinge fühlen sich für jede Person etwas anders an. Selbst wenn sich zwei Menschen einig wären, genau dasselbe erlebt, erfühlt zu haben – wie können sie sich sicher sein? Es gibt keine zwei Personen, die identisch sind. Und so ist es auch beim Pferd. Um eine optimale Wechselwirkung zwischen zwei Lebewesen zu haben, muss man deren Verschiedenheit erkennen und respektieren.
Wollen wir uns anderen Dingen, Menschen oder Pferden annähern, sollten wir folgende Eigenschaften haben und sie entsprechend einsetzen. Als da wären: Flexibilität, Konsequenz, Respekt, Entschlossenheit, Liebe und Milde. Außerdem sind alle Dinge zu beachten und zu berücksichtigen, die von den Sinnesorganen wahrgenommen werden. Das könnte z.B. Regen, Hundegebell, Wind oder Vogelgesang sein. Auf alle Lebewesen haben diese Umweltreize eine andere Wirkung. Genauso werden tiefe Gefühlserfahrungen, wie Hoffnung, Liebe, Freude, Trauer, Angst oder Unsicherheit in unterschiedlicher Intensität erlebt. Der Grund dafür ist eine individuelle Informationsaufnahme und Auswertung.
Es ist aber nicht nur der Mensch einzigartig, sondern auch das Pferd. Auch das Pferd macht individuelle Lebenserfahrungen, sodaß der Mensch ihm in seiner Einzigartigkeit begegnen muss. Viele Menschen machen sich Gedanken darüber, wie wohl ein Pferd seine Umwelt wahrnimmt. Aber nur sehr wenige können erkennen, ob sich ein Pferd in seiner Umwelt wohl fühlt oder nicht.
Es ist ganz einfach. Wenn sich dein Pferd bei dir wohl fühlt, wirst du dich auch bei ihm wohl fühlen. Um zu wissen, ob sich ein Pferd wohl fühlt oder nicht, musst du kleinste Veränderungen in seinem Verhalten oder Gesichtsausdruck erkennen und deuten können. Wenn du mit dem Pferd umgehst, musst du also ganz genau beobachten, wie sich deine Stimmungen und Handlungen auf das Pferd auswirken.
Findet dieses Fühlen zwischen Mensch und Pferd nicht statt, wird sich auch kein Vertrauen oder Leistungsbereitschaft entwickeln können. Es gibt Menschen, die sagen, dass man Fühlen nicht in Worte fassen kann. Sie haben sicher Recht, und dennoch bin ich davon überzeugt, dass Fühlen erlernt werden kann. Man muss nur die Möglichkeit haben, jemanden beim Handling und Reiten zuschauen zu können, der diese Fähigkeit hat und damit arbeitet.
Dieses Fühlen hat einen ganz besonderen Charakter, und du wirst es erkennen, wenn es dir begegnet. Möglicherweise kommst du mit deinem Pferd sehr gut klar. Das wiederum würde heißen, dass ihr in eurer Beziehung mehr Fühlen anwendet, als dir im Moment vielleicht bewusst ist.
Ich gebe dir hier ein paar Vorschläge für alltägliche Situationen, in denen du das Fühlen anwenden kannst. Reflektiere erst, wie sich die beschriebenen Situationen in deinem Alltag zeigen.
Läuft dein Pferd zur Fütterungszeit im Paddock oder Box mehr oder weniger aufgeregt herum? Oder würdest du sagen, dass du auf die Art und Richtung seiner Bewegungen Einfluss nimmst?
Brauchst du, um dem Pferd das Zaumzeug aufzulegen, einen Eimer oder Schemel, weil es seinen Kopf hoch und zur Seite nimmt? Oder ist es eher so, dass es seinen Kopf absenkt und das Gebiss sucht, während du das Kopfstück und die Zügel in Position bringst?
Musst du dich, um Aufsteigen zu können, am Sattelhorn festhalten und auf einem Bein herumhüpfen, um noch aufsitzen zu können, bevor das Pferd los geht? Oder wartet dein Pferd, bis du dich im Sattel niedergelassen und das Kommando zum Losgehen gegeben hast?
Wie du siehst sind es die Kleinigkeiten, die im Umgang mit dem Pferd eine entscheidende Rolle spielen. Wird diesen Kleinigkeiten auf Dauer nicht die nötige Bedeutung zugemessen, kommt es unweigerlich zu Misserfolgen.
Wenn die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd verschwommen, langweilig, dumm oder unpräzise ist, hat der Mensch die Aufgabe, diese zu verbessern. Man kann nicht erwarten, dass das Pferd für die Qualität der Kommunikation zuständig oder gar verantwortlich ist. Die Aufgabe des Pferdes besteht in erster Linie darin, sich selbst zu schützen, zu überleben. Diese natürliche Anlage im Pferd gilt es zu erkennen und zu respektieren. Will nun der Mensch mit dem Pferd in Verbindung treten, sollte er dies in einer klaren, konsequenten und liebevollen Art und Weise tun. So wird er Zugang zum Pferd bekommen.
Es gibt zwei Übungen, die sich besonders eignen, um das Fühlen zu entwickeln und anzuwenden. Das ist einmal das Führen des Pferdes und zum anderen das willige Rückwärtstreten lassen des Pferdes. Um möglichst gute Ergebnisse zu erhalten, solltest du dein Pferd mit einer Wassertrense und slobber straps (Verbindungsstück zwischen Trensenring und Zügel aus Leder) auftrensen.
Führen und williges Folgen
Das Ziel ist, dem Pferd zu lehren, geführt aber nicht hinter dem Menschen hergezogen zu werden.
Die Aufforderung für das Pferd, seine Füße zu bewegen, kommt aus deiner Hand. Sie hält einen Zügel tief unten am slobber strap, ungefähr 15-20 cm unterhalb des Pferdemauls. Du selbst stellst dich in einem 45° Winkel seitlich zur Schulter des Pferdes. Nun drückst du deinen Ellenbogen durch und fährst mit dem Arm so weit wie nötig nach vorne. Du darfst dein Pferd nicht drängen, nicht schieben und dich auch nicht gegen es lehnen.
Wenn du den „Slack“ (das Durchhängen des Zügels) aus dem Zügel nimmst, tu es in einem Winkel. Reagiert dein Pferd sogleich, indem es sich bewegt, musst du augenblicklich wieder deutlichen „Slack“ in deinen Zügel geben, wobei der tiefste Punkt des Zügels nicht unterhalb des Knies sein sollte. Wiederhole diese Übung öfters auf beiden Seiten. Am Schluss sollte dein Pferd mit allen vier Füßen losgehen,, sobald die Zügel straffer nimmst und du dich wegbewegst.
Es ist möglich, dass dir dein Pferd andere Reaktionen zeigt.
Vielleicht versteht es nicht, was dieses Gefühl des Zügelkontakts zu bedeuten hat, was du erwartest, dass es tun soll. Es gibt dir nicht die gewünschte Reaktion, weil es seine Füße fest in den Boden stemmt
- und seinen Kopf und Hals mit geschlossenen Augen nach vorne in deine Richtung streckt
- den Kopf gegen dich schleudert
- und rückwärts geht
- Es wäre auch möglich, dass dein Pferd zwar versteht, dass es seine Füße bewegen soll, aber statt willig zu folgen,
- setzt es lediglich einen Fuß in deine Richtung, lässt aber die anderen drei stehen
- springt es an dir vorbei
- springt es auf dich zu und bedrängt dich
- rennt es dich um
Falls dein Pferd seine Füße nicht bewegt oder es rückwärts geht, nimmst du ganz langsam die Zügel straffer und gibst ihm noch eine Chance herauszufinden, was du von ihm willst. Verändert dein Pferd seine Reaktion nicht, gibst du ihm mit dem Zügel einen deutlichen, starken Zug zur Seite hin. Unter Umständen musst du dies ein paar mal tun, bis es begreift, was es mit seinen Füßen tun soll. In dieser Phase solltest du dich nie genau vor das Pferd stellen, um zu vermeiden, dass es sich gegen deinen Zug lehnt, oder im anderen Fall gar auf dich springt. Außerdem darfst du nie ruckartig den Slack aus dem Zügel nehmen oder an ihm reißen. Es ist nicht unser Interesse, das Pferd zu strafen. Wir wollen lediglich durch die Verstärkung unserer Aufforderung bewirken, dass dem Pferd klar wird, den Zügelkontakt mit willigem Folgen zu beantworten.
Gewalt im Vergleich zu Entschlossenheit ( Strenge / Druck )
Alles, was du beim Pferd mit Gewalt machst, wird dich nicht zum Erfolg führen. Wenn du mit deinem Pferd über das Fühlen kommunizierst, muss immer Gewalt durch Geduld und Zeit ersetzt werden. Das heißt nicht, dass es nicht auch Situationen gibt, in denen Strenge angesagt ist, und auch welche, in denen du noch mehr Strenge benötigst. Was aber unbedingt bedacht werden muss, ist Folgendes: Je mehr Strenge der Mensch anwendet, umso größer muss seine Erfahrung und Einsicht darüber sein, welche Rolle für das Pferd exaktes Timing und Gleichgewicht spielen, um verstehen zu können, was der Mensch von ihm will.
Das Pferd fühlt deine Strenge oder Entschlossenheit nicht einfach so irgendwie. Um ihm die Bedeutung deiner Hand verständlich zu machen, muss sie ihm in Verbindung mit der richtigen Mischung von Timing und Gleichgewicht beigebracht werden. Wenn du nun also beschließt, deine Strenge zu steigern ( den Druck zu erhöhen ) brauchst du außerdem mehr Geschicklichkeit, dies durchzuführen. Für deine eigene Sicherheit solltest du die Reaktionen des Pferdes, welche deine Strenge auslösen, vorausahnen können. Ansonsten könntest du es bereuen.
Das erinnert mich an eine Beobachtung, die Bill Dorrance oft machen konnte:“ Es ist erstaunlich, was Pferde für den Menschen tun, wenn sie ihn verstehen – genauso erstaunlich ist es allerdings, was die Pferde tun, wenn sie nicht verstehen, was der Mensch von ihnen will.“ Es ist sinnvoller langsam vorzugehen. Somit hast du mehr Zeit, deine Beobachtungsgabe zu entwickeln. Diese ist nämlich ein wesentlicher Teil, um Fühlen überhaupt korrekt in deiner Pferde-Mensch Beziehung anwenden zu können. Durch häufiges Ausprobieren wirst du viele Erfahrungen machen, welche dich auch schützen werden. Dein Urteilsvermögen kann reifen und du lernst einzuschätzen, wann mehr Strenge nötig ist.
Baut der Mensch Strenge konsequent auf und sofort wieder ab, sobald das Pferd die richtige Reaktion zeigt ( Timing ), wird das Pferd dem Menschen vertrauen. Es kann dir passieren, dass du in der Lernphase einen Schritt vor, aber dann auch wieder zwei zurück machst. Beunruhige dich deswegen nicht. Es braucht seine Zeit, bis du Ursache und Wirkung zwischen euch beiden begriffen hast.
Williges Rückwärtstreten
Beginne mit dieser Übung an der Seite des Pferdes, an der es seinen Vorderfuß weiter nach vorne gestellt hat. So ist es einfacher für das Pferd, da es sowieso mit diesem Fuß das Rückwärtsgehen begonnen hätte. Du hältst nun den Slobber-strap ( Verbindungsstück aus Leder zwischen Trensenring und Zügel ) am Ende mit deiner Hand fest und straffst den Zügel, indem du ihn geradewegs nach unten in Richtung der Pferdebrust führst. Lass dir damit Zeit. Falls dein Pferd sofort die Verbindung deiner Hand zu seinen Füßen versteht und seinen Fuß zurück setzt, lässt du es augenblicklich in Ruhe. Wenn dein Pferd aber eine andere Reaktion zeigt, weißt du, dass es noch nicht verstanden hat, dass du von ihm erwartest, seine Füße zu bewegen. Möglicherweise rammt es seine Füße fest in den Boden und
- nimmt seinen Kopf hoch, um ihn mit aufgerissenem Maul vor- und zurückzuwerfen
- nimmt seinen Kopf tief, während es auf dem Gebiß kaut
- rollt sich mit gebogenem Hals bis zur Brust auf
- nimmt den Kopf zur Seite, um auf seinen Bauch sehen zu können.
Unter Umständen begreift dein Pferd, dass es etwas mit seinen Füßen tun soll, weiß allerdings nicht genau was und bietet dir folgende Reaktionen an:
- es bäumt sich mit gestreckten Vorderbeinen auf
- es schlägt mit einem oder gar beiden Vorderbeinen nach dir aus
- oder es drückt gegen deine Hand und geht auf dich zu.
Falls es seinen Kopf, aber nicht seine Beine bewegt, musst du warten. Bringe erst dann mehr Strenge oder Druck ins Spiel, wenn du befürchten musst, dass dich dein Pferd aus deiner Position bringt. Es ist wichtig, die Nase des Pferdes in die Richtung des Fußes zu bringen, der sich bewegen soll. Täusche aber keine Strenge vor, indem du mit Gewalt am Gebiß arbeitest, um die Füße deines Pferdes zu lösen. Du musst dir immer im Klaren sein, dass das Pferd, wie du selbst, ausprobieren und herausfinden will, welche Bedeutung deine Hand hat. Lass also dein Pferd nach dem kleinsten Erfolg sofort in Ruhe. Es würde für den Anfang schon reichen, wenn dein Pferd sein Gewicht vom führenden Vorderfuß weg verlagern und sich etwas im Rücken verschieben würde. Nach ein paar Sekunden solltest du es noch einmal versuchen. Auch jetzt wird dein Pferd darüber nachdenken, was es mit seinem Körper machen könnte, um von deiner Zügelhand befreit zu werden.
Führe dein Pferd nun vorwärts und versuche es noch einmal mit dem selben Fuß. Eine andere Möglichkeit wäre aber auch, dass du versuchst, seinen anderen Fuß rückwärts zu bewegen. Dazu nimmst du die Nase des Pferdes in Richtung des neuen Fußes und bereitest es darauf vor, sein Gewicht nach hinten zu verlagern. Mach es, wie zuvor; nimm den Slack aus dem Zügel, gib dem Pferd ein Gefühl des Rückwärtstretens und warte. Es ist wichtig, diese Übung auf beiden Seiten zu machen, bis das Pferd schließlich mit einem immer leichter werdenden Kontakt am Zügel rückwärts treten kann. Unter Umständen kann das Tage oder gar Wochen dauern.
Mit zunehmender Wiederholung dieser Übung stellt das Pferd fest, dass was einmal funktioniert hat, immer wieder funktioniert. Dadurch, dass die Aufforderung zum Rückwärtstreten jedes Mal augenblicklich aufhört, sobald das Pferd die richtige Reaktion gezeigt hat, wird es ermuntert selber nach dieser Entlassung zu suchen. Es wird seine Belohnung vorausahnen, seine Füße schneller und weiter zurücknehmen und sich zunehmend wohler fühlen.
Falls sich dein Pferd aufbäumt oder schlägt, hast du es evtl. zu sehr gedrängt. Du darfst es auf keinen Fall bestrafen. Beginne von neuem mit weniger Druck und versuche mit geringerer Anstrengung mehr zu erreichen. Ersetze dabei Ungeduld durch Geduld und Hast durch soviel Zeit, wie dein Pferd benötigt.
Drückt dein Pferd nach vorne gegen dich, sobald du es zum Rückwärtstreten aufforderst, solltest du ihm nur mit soviel Gegendruck begegnen, der es wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück bringt. Beginne jetzt wieder von neuem.
Am besten du trittst zur Seite zurück und bist darauf vorbereitet, gegebenenfalls deinen Arm auszustrecken, dich in den Schultern aufzurichten und dir eine sichere Distanz zum Pferd zu verschaffen, um nicht aus der Balance gebracht zu werden. Wenn deine Verunsicherung zu groß ist, kannst du mit einem anderen Pferd, das dich leichter versteht, das Fühlen und Timing dieser Übung erlernen. So kannst du deine eigene Sicherheit wiedererlangen und du wirst sehen: Je besser du Gleichgewicht, Timing und Fühlen beherrschst, umso besser wird dein Pferd werden.
Copyright: Leslie Desmond