Hilf den Kindern ihre Angst durch Verständnis überwinden
Help Kids Overcome Fear with Understanding
©1995 Leslie Desmond Geschrieben und Fotos von Leslie Desmond Veröffentlicht im April 1995 in: The Trail Less TraveledÜbersetzung. Gabi DoldSo klein das Pony auch ist, kann es Kinder doch einschüchtern, indem es einfach die Zügelhand ignoriert und sich nicht dem gewünschten Tempo anpasst. Taj bekommt Vertrauen und Sicherheit zurück, indem sie das Pony am Führstrick um sich herumlaufen lässt. Will steht ihr im Hintergrund zur Seite.Kinder und Jungpferde erforschen ihre Welt ganz natürlich, mit ängstlicher Körperhaltung und nur zögerlichem Vertrauen. Wenn sie mit Unbekanntem konfrontiert werden, sind sie allerdings neugierig. Durch ein kleines bisschen angeborenes Vertrauen, wagen sie etwas. Aber wenn es sein muss, haben sie dieses Vertrauen im nächsten Moment schon wieder verloren und sind voller Panik. Nicht jeder zeigt das gleiche Verhalten. Es variiert mit den Umständen und den Individuen. Aber ganz im Innersten hat Mutter Natur den Urinstinkt in alle Lebewesen gepflanzt - den Lebenswillen. Wenn wir unser Leben in Gefahr glauben, oder eine unbekannte Gefahr spüren, helfen wir uns, indem wir beschließen, zu fliehen oder zu kämpfen. Der Überlebensinstinkt kann letztlich das perfekte Funktionieren von Angst sein. Leider ist es eine traurige Ironie, dass ängstliche Kinder an einem unvermeidbaren Vertauensmangel leiden, mit dem eine schwache Selbstachtung einhergeht.
Man kann die Gefühle scheuer Kinder leicht verletzen, besonders wenn sie sich sehr viel Mühe geben. Schroffer unangebrachter Tadel oder das Unterlassen von Lob zum richtigen Zeitpunkt, kann den ganzen Lernerfolg in Frage stellen. Es gibt einige Lehrer, die glauben mit dieser Art zum Erfolg zu kommen.
Eltern und Lehrer, die sich über Kinder und deren Anstrengungen lustig machen oder sie hänseln, "um die Kinder aufzulockern, wenn sie Vergleiche zwischen ängstlichen und mutigen Reitschülern anstellen, schlagen die Kinder im Prinzip für das, was sie versuchten, aber eben nicht besser wussten oder konnten. Was der ängstliche Reitschüler aus solch einer Reitstunde mit nach Hause bringt, hat mit Pferden nichts zu tun. Es wird eher eine Tür zugemacht und die Erinnerung an die einstige Berufung zum Reiten verblasst immer mehr.
Gute harmonische Lehrer versuchen jede Reitstunde so zu gestalten, dass sie den Schüler immer ein Stückchen weiterbringt. Sie haben die richtige Mischung aus Geschick, Erfahrung, Einfühlungsvermögen und vielleicht auch ein Quäntchen Glück. Diese Lehrer werden während des gesamten Unterrichts versuchen, jeden Augenblick aufmerksam zu sein und die Stimmung von jedem Kind zu beachten. Das bedeutet, auch hinten im Kopf Augen zu haben. Sie werden auf ihre innere Stimme vertrauen, wenn sie warnt, "dass da etwas nicht so ist, wie es eigentlich sein sollte". Die Stimme sagt vielleicht. " Es sind zu viele im Unterricht", oder sie sagt: "Dieses Kind ist noch nicht so weit, um den nächsten Schritt zu tun". Du kannst mir glauben, diese Stimme hat immer ihre Berechtigung.
Ich erinnere mich an meine jungen Schüler, die selbst auch ängstlich waren. Diese ängstlicheren Naturen sind wie, weit offen stehende, Türen und wollen von Anfang an soviel wie möglich an Information aufnehmen. In diesem aufgeschlossenen und verletzbaren Zustand ist es für einen ängstlichen oder scheuen Menschen kaum möglich zu existieren, wenn er nicht Führung und Unterstützung bekommt. Ich möchte daran erinnern, dass es sich mit einem jungen unerfahrenen Pferd nicht anders verhält. Ich betrachte die Verletzbarkeit des Schülers als ein Geschenk an mich. Ich kann noch besseren Reitunterricht geben, wenn ich dieses Geschenk annehme.
Sarah, 9 Jahre, verlädt Paddy in einen Zwei-Pferdehänger, indem sie ihm mit der linken Hand den Weg weist und mit der rechten vorwärts schickt. Taj will Cookie mit Hilfe des Führstricks übertreten lassen. Die 11 jährige Angela steht zur Unterstützung mit dabei.Nicht mit Futter und Belohnung arbeiten
Allzu oft glauben ängstliche Kinder, schwierige Situationen mit, wie ich es nenne, "Futter und Belohnung" meistern zu können. Das nennt man Bestechung. Wendet man diese Methode zu oft an, erwarten die Kinder von einer Reitstunde nichts anderes mehr und man ist in diesem Schema gefangen. Pavlov hatte einen Hund, der so konditioniert wurde. Allerdings arbeiten wir nicht mit Hunden, sondern wollen Kinder dahingehend unterrichten, dass sie mit Pferden selbständig und sicher umgehen können.
Hier sind ein paar Beispiele für das Lernen über Futter und Belohnung:
- Nur noch eine Runde um die Bahn, wenn du dabei keine Stange abwirfst, hören wir auf und bestellen uns eine Pizza.
- Wenn du heute Blaze reitest, brauchst du es morgen nicht.
- Wenn du Sugar sattelst und auftrenst, ohne einen Fehler zu machen, mache ich dafür ihre Füße. Ich weiß, dass du dabei immer leicht erschreckst.
- Wenn du aufhörst zu weinen, kannst du absteigen.
- Wenn du es dieses mal richtig machst, können wir aufhören.
Sei dir der armseligen Belohnungen in diesen Beispielen bewusst: aufhören, nichts tun zu müssen und essen. Kann man Bestechungen während einer Reitstunde durch Tapferkeit und Ausdauer ersetzen, wird das sogenannte "Angstproblem" deutlich kleiner. Das ist nur eine von vielen destruktiven Möglichkeiten, ängstliche Schüler zu unterrichten.
Was kann man also mit einem ängstlichen Schüler tun? So wenig wie möglich. Akzeptiere ihn einfach. Sei kreativ und geduldig. Als Ausbilder von jungen Reitlehrern, lege ich großen Wert darauf, ihnen zu vermitteln, wie wichtig Geduld für den Reitanfänger ist. Akzeptiere die Gefühle und Fähigkeiten deiner Schüler, auch wenn sie noch so hilflos und mangelhaft sind. Das ist äußerst wichtig und vorrangig. Die besten Ergebnisse stellen sich ein, wenn man mit Reitanfängern genau dort zu arbeiten beginnt, wo sie ihren momentanen Entwicklungsstand haben. Ich erinnere meine jungen Reitlehrer immer daran, dass auch ich mit ihnen an diesem Punkt begonnen habe, als sie noch Anfänger waren.
Lenke ihre Aufmerksamkeit in eine andere Richtung
Ich erkläre den Kindern immer, dass das Schlimmste daran ist, angst-voll zu sein, -- die Bedeutung von voll ist. Denn dort, wo etwas voll ist, bleibt für fast nichts anderes mehr Platz und das verstehen schon die 4 jährigen. In so einem Fall plaudere ich solange mit dem Kind, bis für mich ein Ansatzpunkt zu seiner Angst erkennbar wird, oder es mir selbst ihr oder sein Rezept vorschlägt, mit dem es seine Angst überwinden könnte. Ich mache ein Beispiel:
Ein 8 jähriges Kind kommt tränen überströmt zu seiner ersten Einzelreitstunde. Die anderen Kinder sind mit ihren Pferden und der Stallarbeit beschäftigt. Das Mädchen ist regelrecht schockiert und spricht nichts. Ich bitte ein älteres Mädchen, sich nach dem Problem zu erkundigen. Das Kind wurde letzte Woche von einem Hund gebissen und ist nun felsenfest davon überzeugt, dass sie das Pferd bei nächst bester Gelegenheit auch beißen wird. An diesem Tag ist die Reitstunde schon beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat. Fertig
Ich plane die Stunde neu und mache mit dem Kind eine kurze Exkursion in die Anatomie eines Pferdemauls. Das sage ich ihr natürlich nicht. Es kommt ganz zufällig, während sie immer noch im Strom ihres Unglücks schwimmt. Jetzt kommen andere Kinder und helfen dem Mädchen aus ihrer Not. Das verstörte Kind bestimme ich ab jetzt zum "Aufpasser" von einem anderen Kind. Das gibt ihr sofort gefühlsmäßig Erleichterung und auch einen gewissen Stolz; ich fordere sie auf, etwas zu tun, das sie nicht all zu nahe mit ihrer Angst konfrontiert. Hieraus kann sie lernen, nicht bedingungslos etwas erfüllen zu müssen und auch nicht versagt zu haben nur weil sie etwas nicht tun will oder kann. Sie kann ihre Angst behalten, mit nach Hause nehmen und sich dann genügend Zeit nehmen, um über alles nachzudenken bzw. das Problem zu lösen. Mit anderen Worten - sie gewinnt.
Wenn eine Situation schwierig wird, sollte man immer versuchen sie einfach zu halten. Ihre einzige Aufgabe, die sie an diesem Tag hat, ist, nach mir zu rufen, wenn das Pferd das Kind beißt, auf welches sie aufpassen muss. Indem ich so handle und ihr nicht die Angst nehme, wird es ihre eigene Entscheidung, die Angst aufzugeben oder nicht. Wir sind uns einig: Ja, es spielt keine Rolle ob, sondern wenn das Pferd das andere Kind beißt. Und wenn es beißt, soll sie es mir sagen. Ohne es auszusprechen, haben wir dieses schreckliche Pferd wieder in`s rechte Licht gerückt. Den bösen Hund hat sie aber noch nicht vergessen.
Nun kommt ein Kind mit mehr Erfahrung dazu und fordert dieses Pferd auf, seinen Kopf tiefer zu nehmen. Sie holt die Nase des Pferdes etwas zu sich her. Jetzt wird die Oberlippe hoch geschoben und man kann diese unglaublich großen gelben Zähne mit ihren scheußlich braunen Streifen sehen. Und nun werden die Zähne gezählt.
Während der Aufpasser in sicherer Entfernung wache hält, wundert sich der Zähler lauthals, ob da vielleicht einer oder mehrere Zähne im Maul fehlen!!! Er sieht nämlich, dass auf jeder Kieferseite ein Spalt ist, in dem keine Zähne sind. In der Zwischenzeit hat der Aufpasser die Sache mit dem Hund völlig vergessen. Das Einzige, was jetzt noch interessiert sind die Pferdezähne, - wo sind sie geblieben? Gibt es auch einen Zahnarzt für Pferde und kann man den vielleicht mal eben anrufen? Jetzt entsteht eine Diskussion darüber, wie ein Pferd seine Nahrung zerkaut, wie man die Zunge seitlich aus dem Maul zieht, um die Backenzähne zu überprüfen? Sie könnten nämlich spitze Kanten haben. Und ehe man sich`s versieht, hat die kleine Aufpasserin ihr Gesicht zur Hälfte in`s Pferdemaul gesteckt. Sie ist damit beschäftigt, die Zähne zu zählen, schreit auf, weil sie den grünen halb schleimig gekauten Klee sieht und trotzdem strahlt und lacht sie. Von nun an ist es wieder einfach.